Erbfehler und genetische Marker
Alle durch Mutterkuh Schweiz typisierten Tiere werden standardmässig auf eine Vielzahl von Erbfehlern und genetischen Markern überprüft. Ausgewiesen werden diese im BeefNet und auf dem Abstammungs- und Leistungsausweis hinter dem Namen des Tieres. Zur vereinfachten Darstellung werden die Erbfehler und genetischen Marker mit einem Buchstabencode abgekürzt. Der letzte Buchstabe gibt jeweils an, welchen Status das getestete Tier hat:
F = Free = Frei
Das Tier ist kein Träger des beschriebenen Erbfehlers, ist gesund und kann ihn auch nicht vererben.
C = Carrier = Träger
Das Tier ist ein heterozygoter oder mischerbiger Träger des beschriebenen Erbfehlers. Es wird nicht an diesem erkranken, kann ihn aber vererben.
S = Sure = Sicher
Das Tier ist ein homozygoter oder reinerbiger Träger des beschriebenen Erbfehlers und wird an diesem erkranken.
Ausnahme: Der Hornstatus wird lediglich mit P (polled) bez. S (scurs) ausgewiesen:
PP = Homozygot hornlos Pp: Heterozygot hornlos pp = behornt PS = Scurs
Überblick über eine Auswahl der getesteten Erbfehler und genetischen Marker:
Arachnomelie (AR)
Arachnomelie oder auch Spinnengliedrigkeit genannt, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Entwicklungsstörung des Skeletts, welche bei Fleckvieh und Braunvieh bekannt ist. Betroffene Kälber werden entweder tot geboren oder gehen gleich nach der Geburt ein. Sie weisen dünne, verlängerte und brüchige Röhrenknochen auf. Die Gelenke sind verkrüppelt und häufig versteift. Auf der Stirn des Kalbs ist oft eine Delle sichtbar und auch der Unterkiefer ist stark verkürzt. Aufgrund der missgebildeten Tiere besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko für das Muttertier während der Geburt.
Ataxie (AT)
Von der bovinen progressiven Ataxie sind hauptsächlich Charolais Tiere betroffen, dabei handelt es sich um einen rezessiven Erbgang. Die ersten Symptome wie Schwäche in den Hinterbeinen und Überkreuzen der Beine zeigen sich erst im Alter von 18 bis 24 Monaten. Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto schlimmer werden die Koordinationsstörungen was schlussendlich zum Festliegen führt. Die Krankheit verläuft immer tödlich.
Bulldog (BD)
Bulldog ist eine vereinfachte Bezeichnung der Krankheit Achondrodysplasie. Betroffene Tiere weisen einen disproportionierten Kleinwuchs auf, woher der Übernahme Bulldog kommt. Sie tritt hauptsächlich bei kleinen Rinderrassen wie Dexter und Dahomey auf, kommt aber auch in der Angus und Holstein Population vor. Die Krankheit führt zu einer geringeren Anzahl Lebendgeburten, sehr oft kommt es zu Aborten oder Totgeburten um den siebten Trächtigkeitsmonat.
Dopellender (MH)
Die Genmutation Muskelhypertrophie wird oft mit der Rasse der Weissblauen Belgier in Verbindung gebracht, da diese eine deutlich grössere Muskelmasse aufweisen als Tiere ohne diese Mutation. Der Defekt am Myostatin Gen wird rezessiv vererbt und kann durch verschiedene Mutationen ausgelöst werden, wobei nicht jede in jeder Rasse vorkommt. Auch deren Auswirkung auf den Phänotyp des Tieres ist unterschiedlich. Piemonteser Rinder sind ebenfalls häufig von dieser Mutation betroffen, sie wurde allerdings auch bereits in anderen Rassen (z.B. Limousin) beobachtet.
Entwicklungsduplikation (DD)
Die Entwicklungsduplikation (Development Duplication) tritt hauptsächlich bei Tieren der Rasse Angus auf. Der Gendefekt führt bei betroffenen Tieren oftmals, aber nicht immer, zu der Ausbildung von zusätzlichen Gliedmassen im Hals- und Nackenbereich. Es wird vermutet, dass viele der von diesem Gendefekt betroffenen Embryonen bereits in einem frühen Stadium der Trächtigkeit absterben.
Fleckvieh Haplotypen (F)
F2: Der Fleckvieh Haplotyp 2 führt zu Minderwuchs und wird rezessiv vererbt. Der Minderwuchs wird erst nach Absetzen der Milch sichtbar, Geburtsgewicht und Frühentwicklung sind weitestgehend normal. Die Mutation führt neben Wachstumsstörungen auch zu einer gestörten Glukose Regulation. Das klinische Bild von F2 ist nicht gleichzusetzen mit dem des Zwergwuchses, da dieser an einem anderen Genort liegt.
F4: Der Fleckvieh Haplotyp 4 beeinflusst die Non-Return Rate (NRR) beim Fleckvieh. Auch diese Krankheit vererbt sich rezessiv. Bei reinerbigen Tieren ist die Besamungsrate niedriger als bei gesunden Tieren. Es kommt häufig zu Aborten in der ersten Trächtigkeitswoche und meist zum Umrindern nach 21 Tagen.
F5: Der Fleckvieh Haplotyp 5 wird, wie so oft, rezessiv vererbt. Homozygote (reinerbige) Tiere leiden an angeborener Herzinsuffizienz und schweren Leberschäden. Die meisten Kälber sterben innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt.
Gaumenspalte (PF)
Die Gaumenspalte ist eine Missbildung, welche bei verschiedenen Säugetieren, unteranderem auch dem Menschen, beobachtet werden kann. Bei Rindern ist sie eher selten, wird aber bereits seit vielen Jahren beschrieben. Es ist bekannt, dass nicht nur ein Erbfehler zur Gaumenspalte führen kann, sondern beispielsweise auch die Aufnahme von alkaloidhaltigen Lupinen zwischen dem 40 und 70 Tag der Trächtigkeit oder einem Selenüberschuss mit oder ohne Manganmangel durch den Verzehr von Tragant Arten auf der Weide.
Hornlosigkeit (P)
Die Hornlosigkeit bei Rindern ist ein dominanter Erbgang und kommt bei einigen Rassen (Galloway, Angus) natürlich vor. Mischerbige Tiere besitzen somit auch keine Hörner. Man unterscheidet zwischen friesisch und keltisch hornlos, da Mutationen auf zwei verschiedenen Genorten zur Hornlosigkeit führen können. Genetisch hornlose Tiere können vereinzelt grosse Hornwucherungen, Krusten oder hornähnliche Ausprägungen, sogenannte Wackelhörner, aufweisen.
Kruppohren (CE)
Von dieser Erbkrankheit sind hauptsächlich Highland Cattle betroffen. Es handelt sich um einen Defekt des äusseren Ohres, welcher dominant vererbt wird. Das heisst, auch mischerbige Merkmalsträger weisen Kruppohren auf, allerdings weniger stark ausgeprägt. Die Missbildung kann von einer kleinen Einkerbung bis hin zu stummeligen Verkürzungen der gesamten Ohrmuschel reichen. Kruppohren (Crop Ears) treten immer beidseitig auf und verändern sich im Laufe des Lebens nicht. Das Tier ist durch die Missbildung nicht beeinträchtigt.
Neuropathie (NP)
Neuropathie wird als rezessives Merkmal beim Grauvieh vererbt. Betroffene Kälber zeigen im Alter von einigen Wochen neurologische Ausfallserscheinungen. Zunächst ist die Koordination der Bewegungen gestört (Ataxie), die Tiere fallen leicht um und können schliesslich gar nicht mehr aufstehen. Die Symptome sind ähnlich wie bei Weaver beim Braunvieh, treten aber viel früher auf. Die meisten Tiere müssen im Alter zwischen 8 und 10 Monaten euthanasiert werden.
Original Braunvieh Haplotyp 1 (OH1)
Dieser Erbfehler ist bereits seit einigen Jahren bekannt und wird rezessiv vererbt, es sind also nur homozygote (reinerbige) Tiere davon betroffen. OH1 scheint nicht immer in gleicher Ausprägung aufzutreten. Teilweise können betroffene Tiere eine Linsentrübung aufweisen, in den meisten Fällen sehen die Augen aber normal aus. Auch der Schweregrad der Sehschwäche kann variieren: von kompletter Blindheit bis hin zu Sehschwächen, welche nur bei starkem Tageslicht wahrnehmbar sind. Diese Erbkrankheit ist mit einer Häufigkeit von rund 8% in der Original Braunvieh Population der Schweiz vertreten. Seit 2020 kann auf diese Mutation getestet werden.
Renale Dysplasie (RY)
Bei der renalen Dysplasie handelt es sich um eine angeborene, rezessiv vererbte Nierenfunktionsstörung, welche hauptsächlich die Rasse Grauvieh betrifft. Typische Symptome wie übermässiger Klauenwuchs mit rauer und ungleichmässiger Oberfläche, mattes und struppiges Fell oder Gewichtsverlust werden erst im Laufe des ersten Lebensjahres sichtbar. Auch haben die Kälber Probleme beim Harnabsatz (Nierensteine) und leiden häufig an chronischem Durchfall. Betroffene Tiere bleiben Kümmerer und sterben meist an den Folgen der Krankheit.
Thrombopathie (TP)
Thrombopathie ist eine Blutgerinnungsstörung beim Fleckvieh, welche die Funktion der Blutplättchen beeinträchtigt. Betroffene Tiere weisen eine normale Anzahl an Thrombozyten (Blutplättchen) auf, trotzdem ist die Blutgerinnung stark beeinträchtigt. Äusserlich weisen erkrankte Tiere keinerlei Beeinträchtigungen auf, können aber bereits bei kleinen Verletzungen massive Blutungen erleiden. Innere Blutungen können daher zum Tod führen.
Tibiale Hemimelie (TH)
1951 wurde vom ersten Fall einer Tibialen Hemimelie bei schottischen Galloway Rindern berichtet. Betroffene Kälber werden entweder tot geboren oder sterben kurz nach der Geburt auf Grund von verschiedenen skelettalen Missbildungen. Bis jetzt wurde diese Krankheit nur bei Galloway, Shorthorn und Bunaji Rindern nachgewiesen. Auffallend ist eine verkürzte oder sogar fehlende Tibia (Schienbein), woher sich auch der Name ableiten lässt. Seit 2021 können Galloway Rinder auf diese rezessive Erbkrankheit getestet werden.
Weaver (WE)
Weaver ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems beim Braunvieh und wird autosomal-rezessiv vererbt. Die Tiere zeigen erste Symptome im Alter von einigen Monaten, wenn die Geschlechtsreife erreich ist oder wenn sie bereits trächtig sind. Nachhandschwäche, Probleme beim Aufstehen oder ein unsicherer Gang (to weave = hinund herschwanken) weisen auf diese Krankheit hin. Je älter die Tiere werden, desto schlimmer werden auch die Symptome. Schlussendlich sterben die meisten Tiere im Alter von 1-3 Jahren auf Grund von Festliegen.
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